Der Fürst Konstantin von Polazk und die Geschichte
Livlands im dritten Viertel des XIII. Jh.
Anti Selart
In
den Quellen zur livländischen Geschichte aus dem XIII. und XIV. Jahrhundert
wird ein gewisser Fürst Konstantin von Polazk erwähnt, der Lettgallen
dem Deutschen Orden geschenkt hätte. Es fehlt eine Übereinstimmung
der Historiker über die Person des Fürsten. Die Quellen, die uns
über die „Konstantinsche Schenkung“ in Livland sprechen, stammen aus der
zweiten Hälfte des XIII. und aus dem XIV. Jahrhundert und sind auf
Hintergrund der Machtkonkurrenz des Deutschen Ordens und des Erzbistums Riga
verständlich. Weiter ist noch an den politischen Kampf in Litauen zu
denken. Um 1250 wurde in Riga ein Litauerfürst Tautvila katholisch
getauft, der spätestens seit 1262, wahrscheinlich schon um 1255, in
Polazk herrschte. Dadurch konnten die Rigaer Erzbischöfe damals und
später beweisen, dass Polazk einst katholisch war. Schuldig sei in diesem
Verlust der Deutsche Orden gewesen. Der Orden seiner seits konnte sich mit dem
Beweis rechtfertigen, dass Polazk immer eine Stadt der russischen Kirche
gewesen sei.
Danach als
1263 Tautvila ermordet wurde, wurde Polazk vom Fürsten Gerden von
Nalšia kontrolliert. In dieser Zeit wird 1263 und 1264 in zwei Urkunden
ein Fürst Konstantin von Polazk erwähnt, der Lettgallen dem Deutscher
Orden geschenkt habe. Als Gegenleistung erkannte der Orden die Macht
Konstantins bzw. Gerdens in Polazk an. Im XIV. Jh. wird die „Konstantinsche
Schenkung“ in Streitakten des Deutschen Ordens und Erzbistums erwähnt, es
handelte um Gebiet von Rēzekne und Ludza in Ostlettgallen. Nach Ermordung
Tautvilas herrschte in Polazk wahrscheinlich eine politisch sehr unsichere
Lage. Weil die Rigaer Kirche später behauptete, dass sie Polazk durch
Tautvila für den Katholizismus gewonnen hätte; Deutscher Orden aber
sich mit Konstantin gegen die Prätensionen des Erzbistums wehrte, ist
Konstantin unter der Tautvila–feindlichen Opposition in Polazk zu suchen. Er
konnte ein Vertreter der alten Polazker Dynastie sein, oder in die Smalensker
Fürstengeschlecht gehören. Politische Situation war gleich nach dem
Tode Tautvilas, im Winter 1263—1264 für die Entstehung des
Donationsvertrags günstig. Wenn der Vertrag die Macht Konstantins in
Polazk unterstützte und die Position des Ordens in Lettgallen versicherte,
kam er auf Kosten des Erzbischofs zustande. Dass der Orden die Donation vom
Papst bestätigen ließ, zeigt, dass an katholischen Gegnern des
Abkommens gedacht wurde. Die späteren Vorwürfe, dass durch des
Deutschen Ordens Schuld der Katholizismus in Polazk seine Position verloren
hätte, spiegeln den Vertrag des Ordens mit Gerden bzw. Konstantin wider.
Ob es zur Zeit der Formulierung der „Konstantinschen Schenkung“ um die
Anerkennung der schon tatsächlich vorhandenen Herrschaft des Ordens in
Ostlettgallen handelte; oder hatte man mit Anerkennung der lehensrechtlichen
Obermacht des Ordens zu tun, dabei die alten Besitzverhältnisse gewahrt
werden sollten; oder Versprach ein Thronprätendent das Gebiet dem Deutsche
Orden für eine zukünftige Hilfe, bleibt unbekannt.